Stadt für 10'000 Einwohner.
Fakten: Studienauftrag der Qargha Lake Settlement GmbH | Stadt für 10 000 Einwohner am Stausee Qargha, Kabul, Afghanistan| Masterplan
und Typenhäuser | Entwurf 2004 | Fläche Stadt: 150 ha.
Architekten: Ivica Brnic, Florian Graf, Wolfgang Rossbauer (Brnic
| Graf | Rossbauer Architects, Zürich).
Afghanistan
befindet sich nach fast 30 Jahren Krieg und der anschliessenden
„Befreiung“ durch die Truppen der USA in einer Phase
des rasanten Wiederaufbaus. Besonders in den Städten entlang
der zentralasiatischen Transitstrassen (Kabul, Herat, Masar-i-Sharif)
spriessen unkontrolliert zahlreiche Wohn- und Gewerbesiedlungen
aus dem Boden. „Fertige“ städteplanerische Entwürfe,
wie sie vielleicht in Ländern mit totalitären Regimen
durchsetzbar sind, bedürfen in Afghanistan eines komplett
neuen Denkansatzes: Sich ständig ändernde Machtverhältnisse
bestimmen genauso wie kapitalistisch-marktwirtschaftliche Mechanismen
die städtebauliche Entwicklung und nicht zuletzt die Ausbildung
architektonischer Formen täglich neu.
Etwa
20 Kilometer westlich von Kabul ist eine vollumfänglich ausgestattete
Stadt für das aufstrebende afghanische Bürgertum, Diplomaten
und für die zahlreichen Auslandsrückkehrer, Afghanis,
die sich während den zahlreichen Kriegen in anderen Ländern
erfolgreich niedergelassen haben und nun Firmen in ihrer Heimat
aufbauen wollen, geplant.

Lage: Kabul
in der Mitte, Qargha westlich davon.
Eine
Regionalstrasse erschliesst von Südosten her das etwa 250
Hektar grosse, hauptsächlich nach Süden geneigte Gelände
um den Stausee „Qargha“. Ein ringförmiges System
von Hauptstrassen wird so um den See gelegt, dass alle Stadtteile
auf schnellste und direkteste Weise an die Regionalstrasse angebunden
sind und zudem hangaufwärts beliebig durch Höhenlinienstrassen
erweiterbar bleiben. Alle Stadtteile werden in einfache, ebenfalls
nach Höhenlinien angeordnete Parzellen eingeteilt. Von zwei
Seiten erschliessbare Parzellen sind etwa 60 bis 80 Meter tief
und können in Bauparzellen von 500 bis zu 2000 m2, in besonderen
Fällen eines Zusammenschlusses von bis zu 20000m2, eingeteilt
werden. An einigen topographisch hervortretenden Orten in Mitten
der Stadt wird ein grösserer Platz ausgespart, der von repräsentativen
öffentlichen Bauten flankiert wird. Es bildet sich eine ruhige
Aussichts- und Aufenthaltsterrasse zum See. Das zentrale Stadtquartier
wird mittig von einer grossen Stadtachse durchbrochen. Sie ordnet
die ganze Stadt und bindet die Verwaltungsbauten sowie die nordwestlichen
Stadtteile an den See an. In einer Anfangsphase wird eine doppelte
Baumallee gepflanzt, die dann sukzessive durch Gebäude ersetzt
wird: Kommerziell genutzte Gebäude bilden eine breite Einkaufsstrasse,
die direåkt in die Seepromenade mündet. Die Moschee,
Orientierungspunkt der ganzen Stadt, befindet sich in der Mitte
des Sees, gleichzeitig in der Flucht der grossen Stadtachse.

Haupt- und
Nebenstrassen.

Öffentliche
Bauten um den See, an markanten Orten in der Stadt.

Baumalleen
um den See, in der Hauptachse.
Der
See, Zentrum der neuen Stadt, wird von einer breiten Flanierpromenade,
die mit einer doppelten Baumallee gefasst wird, umgeben. Die Umrahmung
soll von Hotel- und Restaurantgebäuden und auch von luxuriösen
Wohnungen erzeugt werden, die von einer rückseitigen Strasse
bedient werden. So stehen diese Bauten in direktem Kontakt zur
Seepromenade. Ein grossmassstäblicher Grünraum entsteht
entlang den Zulaufflüssen, die im Frühjahr den See mit
Wasser versorgen. Das um den Bach leicht abfallende Terrain ergibt
bereits jetzt schon einen Raum, der für die neue Stadt erhalten
bleiben soll und mit reichhaltiger „Natur“ aufgewertet
wird. Er dient den angrenzenden öffentlichen Bauten als Erholungs-
und Freizeitpark.
Das
Konzept dieser Stadtplanung liesse sich als Verbindung „naturnachzeichnender
Planungsansätze“ und „künstlicher Elemente“
beschreiben. Zum einen versucht die Planung, die örtlichen
Gegebenheiten, d.h. Himmelsrichtung, Topographie, Fluss- und Seeräume
bestmöglich zu lesen, um sie in die Grundkonzeption der stadträumlichen
Entwicklung - beispielhaft an den Höhenlinienstrassen und
Fluss-/Seegrünräumen abzulesen - zu integrieren. Die
Identität der Stadt findet sich in der Überzeichnung
der vorhandenen Natur, sie kann mit minimalem Aufwand hergestellt
werden und wird auch unter sich ändernden Prämissen
Bestand haben. Zum anderen gibt es wenige künstliche, formal
einprägsame Implantate. Stärkstes Element ist die grosse
Stadtachse zwischen den Verwaltungsbauten und der Moschee. Sie
verleiht der Stadt in ihrem Herzen „metropolitane“
Dimensionen. Ein solcher formal gewollter „künstlicher“
Eingriff bedarf eines entsprechenden politischen Willens, um durchgesetzt
werden zu können.
Die
Verbindung dieser beiden Ansätze ist im doppelten Sinne nachhaltig:
Einerseits haben Planungen, die sich stark an den vorhandenen
Gegebenheiten orientieren, grosse Chancen, ausgeführt zu
werden - sie bergen eine „natürliche“ Logik in
sich, die sich in allen künftigen Phasen räumlich eindrücklich
behaupten kann. Andererseits erlaubt eine effiziente Erschliessung
in Verbindung mit einer vielseitig benutzbaren Parzellierung eine
Reaktion auf alle kommenden, nicht vorhersehbaren Ereignisse.
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