Wolfgang Rossbauer | Architekt
Neubau Volksschule Marzili, Bern, Schweiz.

 

Auftakt zur Marzili-Schule.

Fakten: Neubau Volksschule Marzili, Bern | Offener Wettbewerb | 1. Rang | 2014 | Ausführung bis 2019 | 17 Klassenzimmer und Fachräume, Lehrerzimmer, Tagesschule, Lernlandschaft und Aufenthaltsbereiche, Nebenräume | Bausumme 29,6 Mio CHF | Bauvolumen: 15’400 m3.

Architektur: Architekten und Generalplaner: ARGE Architekten Hull Inoue Radlinsky GmbH + Wolfgang Rossbauer GmbH, Zürich, mit Florian Binkert | Mitarbeit: Florian Binkert (Projektleitung), Susanne Sauter, Nerea Nuin, Maria Sanchez Payo, Adrian Hauser, Susanne Triller, Clarissa Spiess, Vanessa Hull, Miyuki Inoue, Silvia Radlinsky, Wolfgang Rossbauer | Baumanagement: Omlin Architekten GmbH, Bern | extra Landschaftsarchitekten AG, Bern | Tragwerk Massivbau: MWV Bauingenieure AG, Baden | Tragwerk Holzbau: timbatec gmbh, Zürich | Haustechnik: Amstein + Walthert Bern AG | Bauphysik: BAKUS Bauphysik & Akustik GmbH, Zürich | Nachhaltigkeit: CSD Ingenieure AG, Liebefeld | Bauherrschaft: Hochbau Stadt Bern.

Pavillon im Park.

Die Schulanlage Marzilimoos wurde in den späten 1940er Jahren erbaut. Sie wird als architektonisches und gartengestalterisches Denkmal mit grossem bau- und kulturgeschichtlichem Wert eingeordnet. Als Pavillonschule in der Nachkriegszeit konzipiert und in mehreren Etappen erweitert, schreibt der neue Erweiterungsbau diese etappenweise Entwicklung fort und setzt im Areal einen Abschluss an dessen südlichem Ende. Gemeinsam mit dem Turnhallentrakt bildet das neue Volumen eine Flucht zur Freifläche der Sportanlagen und reiht sich damit in die städtebauliche Konzeption einer lockeren Abfolge von Baukörpern ein. Von dieser Setzung und dem geometrischen Bezug zur Turnhalle ausgehend entwickelt sich das Volumen nach Westen hin zu einem abgeknickten Körper, der die Knicke der Aussenpavillons der bestehenden Primarschulbauten paraphrasiert.

Zwischen den Baukörpern von Turnhalle, Primarschule und Neubau werden durch die wegknickende Gebäudegeometrie neue Zwischenräume aufgespannt, die sich an die Massstäblichkeit und an den Rhythmus der bestehenden Aussenanlagen anlehnen. Wie im Bestand entstehen somit Aussenräume, die sich nach Westen hin auflösen und in die Parklandschaft übergehen. Das geknickte Volumen verwebt sich durch seine Geometrie in die Umgebung unter grösstmöglichem Erhalt des Baumbestandes.

Durchgang als Vermittler zwischen Strasse und Schulareal.

Das bestehende Wegsystem wird zum Gebäude herangeführt, wird in einer freieren Geometrie weitergeführt und fliesst als breiter Durchgang durch das Erdgeschoss des Gebäudes hindurch. Dieser „Durchschuss“ vermittelt zwischen Strassenraum und dem dahinterliegenden Wohnquartier und der bestehenden Schulanlage. Die asphaltierte Fläche wird im Norden zu einem Teil des Pausenbereichs, mit dem gedeckten Bereich im Durchgang des Erdgeschosses. Hier liegen auch die Haupteingänge, die in die verglasten Eingangshallen führen.

Die äussere Erscheinung und Materialisierung des Gebäudes findet seine Referenzen im historischen Bestand der Schulanlage. Sie gestaltet sich als feingliedrige, regelmässig rhythmisierte Fassade: Blechverkleidungen bilden Anschlussstellen für ausstellbare Stoffstoren und somit umlaufende horizontale Bänder, während Holzlamellen und Holzfenster die Fassade vertikal strukturieren. Die Stützen des Tragwerks treten nach aussen in Erscheinung und setzen Akzente in der Regelmässigkeit des umlaufenden Rasters.

Kompakter Dreigeschosser: Nutzungsverteilung, Brandschutz, Tragwerk.

Das gesamte Programm findet Platz in einem oberirdisch dreigeschossigen Gebäude. Auf ein Untergeschoss konnte verzichtet werden. Im Erdgeschoss befinden sich sämtliche Nutzungen von öffentlicherem Charakter, die von einem direkten Zugang zum Aussenraum profitieren: Mehrzwecksaal und Bibliothek liegen im östlichen Erdgeschossteil, während die Tagesschule das westliche Erdgeschoss besetzt. Nebenräume wie Putzräume, Technik, Archiv und Personalräume befinden sich in den Bereichen entlang des Kerns oder liegen dazwischengeschaltet an der Fassade.

Im ersten Obergeschoss befinden sich die klassischen Schulnutzungen aller Klassenzimmer und Gruppenräume. Sie sind entlang den Fassaden kranzförmig angeordnet. Jedes Klassenzimmer bildet eine Einheit mit einem Gruppenraum - jeweils 4 Klassenzimmer bilden eine Nachbarschaft, ein Cluster, das sich um einen Erschliessungsraum gruppiert und damit eine räumlich Zuordnung klar definiert. Die Treppe ins Obergeschoss wurde so gelegt, dass sie zentral zwischen den zwei einander gegenüberliegenden Clustern ankommt. Dieser Zwischenbereich bildet eine langgestreckte Zone, die einerseits als Erschliessungsglied zwischen den beiden Clusterbereichen dient, aber auch als offener Lernbereich, eine sogenannte Lernlandschaft, dienen kann. Die abgeknickte Geometrie dieses Innenraums schafft individuelle Raumbereiche, die von verschiedenen Schülergruppen zum Arbeiten genutzt werden können. Im zweiten Obergeschoss befinden sich die Räume für den Fachunterricht (Werken, Musik), Förderung sowie der Lehrerbereich.

Das dreigeschossige Gebäude basiert auf einem Grundriss der massgebenden Geschossfläche von 1'300m2. Somit kann es mit zwei Fluchttreppen ausreichend entfluchtet werden. Sämtliche Nutzungen aller Geschosse schliessen direkt an eines der beiden Treppenhäuser an. Im 1. und im 2. Obergeschoss befindet sich mittig zwischen den beiden Treppenhäusern je eine Lernlandschaft, die vollwertig möbliert werden kann. Im Brandfall schliessen Glastüren die offenen Zugänge ab.

Das Tragwerk der innenliegenden Kerne sowie der Geschossdecken und des Fundaments ist in Stahlbeton konzipiert. Die Fassade der beiden Obergeschosse wird als tragender Holzbau ausgeführt. Der Durchgang im Erdgeschoss wird über eine Zugstütze gehalten; eine auskragende Konstellation von Betonscheiben im 2. Obergeschoss hält diese nach oben.

 

2. Obergeschoss

1. Obergeschoss

Erdgeschoss

 

Axonometrie Tragwerk