Konstruktivistische Welten.
Fakten: Studentisches Projekt an der ETH Zürich | Lehrstuhl Markus Peter & Peter Märkli | 2003.
Architektur: Wolfgang Rossbauer.
Einen
„neuen“ Typ Botschaft in einem postsowjetischen Land
zu entwerfen ist eine aussergewöhnliche Aufgabe - geographisch
und kulturell in weiter Ferne, unrealistisch in Bedarf und Ausführungswahrscheinlichkeit.
Die Utopie der Aufgabenstellung wird sich im architektonischen Entwurfsprozess widerspiegeln und das Erforschen architektonischer Grenzen ermöglichen
und sogar fordern. Das Projekt ist ein experimenteller Versuch,
„neue“ programmatische Ansätze zeitgenössischer Diplomatie zu forcieren
und einen spezifischen, vielleicht sogar visionären Ausdruck
zu finden.
Diese
Botschaft ist als Funktionsmaschine entworfen; sie stellt eine
vielfältig zugängliche Plattform dar, die nach den Absichten
zeitgemässer Diplomatie bespielt werden kann. Der Botschafter
tritt nicht als Dominus des Hauses in Erscheinung. Er ist nicht
das Ende eines hierarchischen Systems, sondern reiht sich vielmehr
als Akteur mit einer spezifischen Rolle in ein komplexes "diplomatisches" Beziehungsnetz
ein.
Bishkek
ist eine Stadt mit auffallend grossem und dichtem Baumbestand.
Es lag nahe, nach einer Architektur zu suchen, die
einen Dialog mit diesen Bäumen führt und sich in Massstab
und Räumlichkeit auf diese bezieht. Zwar kennzeichnet das
Gebäude mit seiner plastisch ausgearbeiteten Volumetrie markant
den Ort, wird aber gleichzeitig von der umgebenden Bepflanzung
so zurückgedrängt, dass eine aufdringliche, „nachbarschaftserdrückende”
Dominanz verhindert wird.
In
der sehr verschiedenartigen, locker bebauten Stadtstruktur versteht
sich die Suche nach einer eigenständigen Gesetzmässigkeit,
die hochkonzentriert an einem Ort auftritt, als ein Versuch, gleichsam
eine exterritoriale Welt mit ihren eigenen Regeln zu konstruieren:
Der 4x4m Stützenraster als ständiger räumlicher
Bezug ist entwurfstragend. Die Raumordnung, die durch diesen Raster
entsteht, wird jedoch von den Sitzungszimmern im ersten Obergeschoss
und dem Saal im zweiten Obergeschoss - den wichtigsten Räumen
des Gebäudes - bewusst aufgebrochen. Es wird ein Gegensatz
zu den von eng gesetzten Stützen bestimmten Räumen hergestellt
und so eine gesteigerte Wirkung erzielt, was einer Art „Befreiungsschlag“
gleichkommt. Grosszügig in Fläche und Höhe entwickelt
und „in die Baumkronen gehoben“, haben diese stützenfreien
Räume einen sehr opulenten Charakter.
Die
öffentlichen Aussenräume docken an das möbelartige
Gebäude an und setzen sich über den weich ausformulierten
Innenraum, der um den Empfang drehend in Café und Botschaftereingang
ausschert, bis in den Veranstaltungssaal im zweiten Obergeschoss
fort. Über Wendeltreppen, die sich gleich „Kernbohrungen“
von den oben liegenden Wohnungen aus in die loungeartigen Besprechungszimmer
einarbeiten - und sie so zu ausgelagerten Wohnzimmern machen -
lässt sich der Saal auch privat betreten. Sämtliche
Technik- und Personalbereiche sind im Herzen des Baus, sie beginnen
in der Anlieferung im Erdgeschoss, setzen sich im ersten Obergeschoss
mittig fort und erlauben, aus dieser zentralen Lage sämtliche
Dienstleistungen auf kürzestem Weg zu erbringen. Diese Orte
sind von den öffentlichen Botschaftsbereichen abgetrennt
und bleiben vor dem Besucher versteckt. Ihre Räumlichkeit
drückt sich aber in weichen Wandverläufen ab, ihre Präsenz
ist so spürbar.
Alle
sichtbaren Stützen sind raumgenerierend eingesetzt, sie begleiten
z.B. den Aufstieg in den Saal und trennen die Treppe räumlich
subtil ab. Treppenbegleitende Stützen werden freigespielt
und somit partiell ihrer statischen Wirksamkeit entbunden. Der
Stahlbau als Konstruktionsweise in dünnen, vertikalen Stabelementen
findet so eine nahezu surreale Überhöhung. Die Fassadenstützen
werden über Konsolen an das Gebäude zurückgespannt
und stehen nach oben hin zunehmend weiter aussen; diese tektonische
Ausarbeitung verleiht dem Gebäude eine „konstruktivistisch“
expressive Physiognomie.
3.
Obergeschoss (Wohnungen)
2.
Obergeschoss (Veranstaltungssaal)
1.
Obergeschoss (Sitzungszimmer, Büros, Technik)
Erdgeschoss
(Eingang, Cafeteria, Büros, Anlieferung)
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